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Uhrzeit/ 07:07:06 // Datum/ 2024:Apr:25 / letzte Änderung



Das Buch spielte Musik: „In the Year 2525” von Zager And Evans.
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Hier gibt es einen Ausschnitt aus dieser Kleinen Geschichte aus dem Buch.
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Kalenderblätter fallen zu Boden.
Langsam, voller Erwartung griff er danach und las. Zuerst die Vorderseite: Nov. 2525. Es war ein alter Kalender. Die Zahlen waren schon blass und die Kalenderblätter hielten nicht mehr richtig in der Verklebung. Er mochte aber so alte Kalender und hatte einige aus seiner Sammlung an den Wänden der Raumsonde befestigt. Das war ein lustiger Zeitvertreib, dass er auf das Fallen der Blätter wartete. In der Raumsonde gab es keine Bäume und keine Jahreszeiten. Der Flug würde so schnell nicht zu Ende gehen.
Er war ein Genspeicher.
Wie die Generationen davor – einfach unterwegs.

„Wege,
Zeiten,
sind bestimmt.
Für Jeden.
Gedanken bleiben,
wie Energie.
Sammeln sich,
im Ziel.”


Er machte sich keine Gedanken um den Inhalt, die Aussage der Wörter.
Auf den Überwachungsschirmen wurde ein galaktischer Sturm angekündigt. Die Sonde hatte bisher alles überstanden. Es gab zahlreiche andere Sonden unterschiedlichster Bauart, die auch unterwegs waren. Wie viele wusste er nicht.

Einige der Genspeicher waren trotz der medizinischen Überwachung vorzeitig wieder in den Kreislauf zurückgebracht wurden. Theoretisch könnte er die Grenze seiner Gene ausschöpfen.
Irgendwie hatte ihn dieses Kalenderblatt etwas melancholisch gemacht. Er erinnerte sich an den Alten Mann mit der hässlichen Nase und dem Buckel.Der wurde Nase Buckel genannt.
Er stellte sich, wenn er anderen Genspeicher begegnete, immer mit: „Ich bin Ka-err-Ypsilon!”, vor.
Der Mann mit der häßlichen Nase und dem Buckel war ein Geschichtenerzähler. Er wohnte im Dorfbereich der Sonde. Damals wusste Ka-err-Ypsilon erst wenig über die Welt, wo er war, geschweige über den Sinn. Nase Buckel hatte Spaß daran, den Kleinen etwas aus seiner Vergangenheit zu erzählen. Einmal erzählte er, wie er alleine in der Wüste eine schöne Lady in die Wade biss, um dass Gift einer Klapperschlange aus ihr heraus zu saugen.
Und er schwärmte von der Lady.
Nase Buckel roch auch etwas streng. Wir rochen es damals noch nicht. Aufmerksam hörten wir jedes Wort.
Nase Buckel wurde von Monat zu Monat, dem wir ihm lauschten kleiner. Er schrumpfte aber nicht.
Wir entwickelten uns zu Jünglingen. Unser Wissen wuchs.
Eines Tages, als ich gerade einen Lehrgang über Energieversorgung unserer Sonde besucht hatte, traf ich Nase Buckel.
Verschämt wollte er zur Seite schauen. Er hatte mich erkannt. Es war viele Jahre her, als er meiner Fantasie so gut getan hatte. Wie hätten wir auch die Realität, ohne das Wissen aus seine Geschichten, ertragen sollen?
Da stand er und blickte auf den Monitor an der Wand. Er wartete, dass ich vorbei gehen würde.
„Die Wahrheit?”, dachte ich plötzlich.
Er kannte nur seine Geschichten, deren Inhalte ich langsam zu verstehen begann.
Aber ich wusste, dass seine Geschichten so schön waren, wie der frische Morgen an einer Quelle im Wald. Sie gaben uns Kraft und bildeten das Fundament unseres Wachstums. Wir waren Genmaterial und unterwegs.
Schon lange unterwegs.
Er sah in den Monitor und ich ging langsam zu ihm hin.
Wir hatten keine Väter.
Ich nahm seine Hand und drückte sie. „Verzeih!”, flüsterte er.
„Wofür?”, fragte ich verwundert.
„Weil ich nur meine Geschichten habe?”
„Was gibt es da zu verzeihen? Die passten für uns genau in die Zeit. Gaben uns Kraft. Ließen uns leben!”
„Ja, aber ihr habt zu mir aufgesehen. Ich erzählte Geschichten, die nicht immer wahr waren.
Geschichten, wie ich sie sah.”
Ich musste etwas sagen. Das konnte ich so nicht stehen lassen. Allein, wenn ich daran denke, wie es war, als ich die ersten Lebensniederlagen einstecken musste. Da war er. Immer da. Er hörte zu und erzählte uns eine Geschichte. Dann fühlten wir uns nicht mehr allein. Wenn er als unserer Held Ladys rettete oder Eisberge in die Wüste brachte und das Land erblühte. Manchmal bekamen wir ein Brot und Limonade. Es spielt für uns keine Rolle, dass er hässlich war. Jedenfalls war er nicht so schön und stark, wie wir in der ersten Zeit dachten. Nase Buckel war er. Klein, bucklig und hatte eine riesige Nase.
Aber er war so warmherzig.
Ich hatte einen Kloß im Hals und sagte nur: „Schon gut! Nichts zu verzeihen. Alles richtig gemacht!” Dann breitete ich die Arme aus. Da war aber diese Kälte, die in der künstlichen Nacht immer auf den Gängen der Sonde herrscht. Nase Buckel war ja schon seit Jahren als Genspeicher zurück in den Kreislauf gebracht worden. „Manchmal ist es für Umarmungen die falsche Zeit”, dachte Ka-err-Ypsilon und schaltete den Monitor aus, bevor er weiter ging. Keine große Sache. -

(Ein Auszug!)


© Jörg Segger